Offener Brief: Niedersachsens Musikkultur fordert Anpassung der Soforthilfe
In untenstehendem Brief hat sich die LAG JAZZ Niedersachsen gemeinsam mit weiteren Institutionen der niedersächsischen Musikkultur und -wirtschaft am 21. April an die Landesregierung gewandt, um eine Anpassung der Förderrichtlinien der Corona-Soforthilfe zu erwirken.
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Hannover, den 21.04.2020
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Weil,
sehr geehrte Herren Minister,
sehr geehrte Abgeordnete,
sehr geehrte Damen und Herren,
wir übersenden Ihnen
einen offenen Brief niedersächsischer Interessenvertretungen aus Musikkultur und -wirtschaft mit der Forderung nach Anpassung der Soforthilfemaßnahmen auf den Bedarf von Solo-Selbstständigen und Freiberuflern.
Ein Rückblick im Schnelldurchlauf: vor knapp vier Wochen überrollte uns der Corona- Shutdown. Musikschulen schlossen, Konzerthäuser und Clubs machten dicht, Konzerte wurden abgesagt. Das erste Soforthilfeprogramm des Landes Niedersachsen stimmte hoffnungsvoll bis die Umstellung auf die Richtlinien des Bundesprogramms erfolgte. Durch die Umstellung auf die ausschließliche Kompensation laufender Betriebskosten wurde einem Großteil der Freischaffenden in Musikkultur und -wirtschaft der Zugang zu der Soforthilfe verwehrt. Da eine Verbesserung der Situation nach neusten Beschlüssen vom 15. April auf absehbare Zeit nicht in Sicht ist, bleibt für viele nur der Weg in die Grundsicherung.
In der Pressemitteilung des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur vom 25. März 2020 heißt es in der Titelzeile: „Niedersachsen schnürt Hilfspaket für Künstlerinnen und Künstler“. Weiter wird Minister Thümler zitiert: „Künstlerinnen und Künstler werden mit einer Welle von Absagen konfrontiert. Viele Existenzen sind bedroht. Um hier schnell und unbürokratisch zu helfen, stellen wir in Niedersachsen gerade ein Hilfspaket auf die Beine.“
Leider kann von einer schnellen und unbürokratischen Hilfe keine Rede sein. Die aktuelle Richtlinie der Corona-Soforthilfe sieht ausschließlich die Kompensation von laufenden betrieblichen Sach- und Finanzaufwendungen vor. Für freischaffende Musiker*innen und andere in kreativ-wirtschaftlichen Berufen tätige Solo-Selbstständige spielen die genannten Aufwendungen allerdings häufig keine Rolle und sie qualifizieren sich daher nicht für den Rettungsschirm. Ihre ohnehin oft prekäre Existenz ist jedoch an die Erwirtschaftung des eigenen Gehalts gebunden. Nach einer Umfrage des Landesmusikrats Niedersachsen (Stand: 25.03.2020) sind 98 % aller Solo-Selbstständigen in Niedersachsens Musikkultur und -wirtschaft von Einkunftsausfällen betroffen, welche bis zu 75 % des Jahreseinkommens umfassen.
Auch der Zugang in die an dieser Stelle oft verwiesene Grundsicherung bleibt mit Schwierigkeiten behaftet, welche sich insbesondere in der Prüfung der Bedarfsgemeinschaft zeigen. Unabhängig davon wie hoch der Einkommensverlust eines Solo-Selbstständigen ist, besteht kein Anrecht auf ALG II, wenn das Einkommen des Lebenspartners über dem Existenzminimum liegt. In der Konsequenz bleibt für viele − so das Zitat eines Musikers − „zu viel zum Sterben, zu wenig zum Leben”. Ist den Betroffenen nach Prüfung der Bedarfsgemeinschaft und übrigem Einkommen der Zugang zur Grundsicherung möglich, bleibt der Antrag (mit bis zu 25 mehrseitigen Antragsdokumenten) ein enormer bürokratischer Aufwand und die Situation frustrierend und wenig wertschätzend.
Aus diesem Grund fordern wir die Landesregierung auf, die förderfähigen betrieblichen Sach- und Finanzaufwendungen bei Solo-Selbstständigen und Freiberuflern um einen kalkulatorischen Pauschalbetrag von 1.180,00 Euro pro Monat für Lebenshaltungskosten zu erweitern und somit die Soforthilfe des Bundes mit Landesmitteln aufzustocken oder alternativ die Anerkennung seitens des Bundes zur erwirken.
Andere Bundesländer, wie z.B. Baden-Württemberg, haben ähnliche Aufstockungen bereits in ihre Soforthilfen implementiert oder, wie z.B. Nordrhein-Westfalen und Bremen, eigene Förderprogramme zum Ausgleich von Einkommensausfällen etabliert.
Vielen Dank für die Regelerleichterungen und Hilfen, die auf allen staatlichen Ebenen bereits umgesetzt wurden. Wir haben ebenfalls erfreut zur Kenntnis genommen, dass vereinzelte Künstler*innen von der kurzzeitig zur Verfügung stehenden Landesförderung profitieren konnten. Wir wünschen uns, dass alle Künstler*innen in diesen schwierigen Zeiten diese Unterstützung erhalten können.
Mit freundlichen Grüßen
Erstunterzeichner
• Landesarbeitsgemeinschaft Jazz in Niedersachsen e.V.• KlubNetz – Verband der niedersächsischen Konzertkulturschaffenden e.V.
• Landesarbeitsgemeinschaft Rock in Niedersachsen e.V.
• Musik21 – Niedersächsische Gesellschaft für Neue Musik e.V.
• Deutscher Tonkünstlerverband Niedersachsen e.V.
• Landesmusikakademie und Musikland Niedersachsen gGmbH im Landesmusikrat Niedersachsen e.V.
• Niedersächsischer Chorverband e.V.
• Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover mit Frau Prof. Dr. Susanne Rode-Breymann als Hochschulpräsidentin und Vorsitzende der Rektorenkonferenz der deutschen Musikhochschulen
• Music College Hannover e.V.
• Jazz Musiker Initiative Hannover e.V.
• kreHtiv Netzwerk Hannover e.V.
• Lausch Kultur Hannover e.V.
• Jazz IG Lüneburg e.V.
• Initiative Jazz Braunschweig e.V.
• Neue Jazzinitiative Celle e.V.
• Orchester im Treppenhaus (Akademie für lebendige Musik e.V.)
Brief unterzeichnen
Mit der Unterzeichnung des Briefes erklären Sie sich einverstanden, dass Ihr Name/der Name Ihrer Institution in die Liste der Unterstützer*innen aufgenommen und an die Landesregierung weitergegeben wird. Die Mailadresse dient lediglich der Kontaktaufnahme seitens der LAG JAZZ Niedersachsen. Ihre Daten werden für keine anderen Zwecke als diesen verwendet.